Was bleibt, wenn die Wolken ziehen?

 

Fotografische Reflexionen im Dialog mit Li Bai

 

 

 

Heike Hahn wurde 1963 in Nürnberg geboren. Seit 1994 ist sie freischaffende Konzeptkünstlerin in den Bereichen Fotografie, Video und Installation. Ihre künstlerische Arbeit ist vielfältig und unterschiedlich – ein den letzten Jahren ist ein inhaltlicher Schwerpunkt allerdings immer gleichgeblieben: Die Beschäftigung mit China und vor allem mit der Partnerstadt der Metropolregion Shenzhen. Heike Hahn versteht sich als Kulturbotschafterin zwischen West und Ost, sie ist eine Botschafterin für die chinesische Kultur im Sinne einer „Graswurzelbewegung“ – bei allen globalen Streitigkeiten, wirtschaftlichen Bedrohungen, die wir im Augenblick im Austausch mit China erleben. Sie betreut beispielsweise chinesische Künstler, die in der Metropolregion Nürnberg ausstellen, arbeitet als Sprachtrainerin für Deutsch an einer chinesischen Schule und hält Vorträge über ihre Chinareisen.

 

Die Fotografien sind poetische Reflexionen: Geprägt, von Stille, Ruhe, Durchlässigkeit – sie zeigen Berglinien, Wasser, Lichtspuren, changieren zwischen Leere und Landschaft. Sie wirken kontemplativ, sie sind wie ein Innehalten in unserer hektischen Gesellschaft.  Fotografien sind schon immer eine Grundlage für Heike Hahns künstlerische Arbeit – auch wenn sie sich im Lauf der Jahre verändert haben. Waren sie zunächst eher dokumentarisch bzw. spielten mit Gegensätzen, waren auch ironisch, so sind sie seit einiger Zeit sehr kontemplativ, beispielsweise nächtliche Waldfotografien, mystische Szenerien, durchzogen von Mondlicht, eher monochrom in Grün-, Cyan- und Blautönen. In ihren aktuellen fotografischen Arbeiten spielt auch der Mond eine immer größere Rolle, als Lichtquelle, als Stimmungsbild.

 

Als Inspirationsquelle ist hier Li Bai für Heike Hahn von großer Bedeutung.  Li Bai war einer der großen Dichter Chinas, in einem Zeitraum nach unserer Zeitrechnung ca. 700 – 760 n.Chr. Sein bekanntestes Gedicht „Stille Nachtgedanken“ gehört zum festen Kanon im chinesischen Schulunterricht. Es handelt von Heimweh, Einsamkeit und stiller Sehnsucht nach der Heimat. Er verfasste über 1.000 Gedichte.

 

Heike Hahn kam in Shenzhen in Kontakt zu Li Bai und beschäftigt sich seitdem bewusst mit seinem Werk. Sie will nachspüren, wie Verse auf sie persönlich wirken – als Europäerin, als Fotografien, als Mensch mit tiefer Verbundenheit zur chinesischen Kultur. Welche Bilder entstehen in ihr, wenn sie von seinen Wanderungen, seiner Naturverbundenheit und seiner Sehnsucht nach Freiheit und Sinn liest?

 

Die Bildsprache der Fotografien hier in der Ausstellung ist daher auch ein kultureller Brückenschlag. Die Bildsprache ist nicht rein visuell, sondern poetisch – Berge, Mond, Wasser werden zu Trägern innerer Zustände. Sowohl Li Bais Gedichte als auch die Fotografien fordern uns auf, sich der Welt hinzugeben, ihrer Schönheit – ein Gedanke, der aus den kontemplativen Fotografien der Ausstellung spricht.

 

Dr. Anja Prölß-Kammerer_2025